Wir möchten euch mit diesem Text über den Dialog zwischen Fankurven-Vertretern aus ganz Deutschland und den obersten Funktionären von DFB & DFL informieren, der vor 12 Monaten begann und in dieser Woche von Seiten der Kurven beendet wurde. Der große Unterschied zu den Kommunikationsformaten aus den Vorjahren bestand darin, dass mit keinen Leuten aus der dritten und vierten Reihe des DFB gesprochen wurde, sondern mit Grindel, Rauball, Seifert, Koch, Curtius & Co. die vermeintlich erste Reihe der Anzugträger aus Frankfurt adressiert wurde, um Veränderungen im Sinne von Fans & Vereinen voranzutreiben. Um Euch nochmal auf den aktuellen Stand zu bringen, ein kurzer Rückblick:
14.05.2017:
Die Fanszene von Dynamo Dresden tritt beim Auswärtsspiel in Karlsruhe in einheitlichem Camouflage Outfit auf und stellt den Tag unter das Motto „Krieg dem DFB“
20./21.05.2017:
Diverse Fanszenen in Deutschland solidarisieren sich mit der Fanszene von Dynamo Dresden und zeigen ebenfalls DFB-kritische Spruchbänder
27.05.2017:
Pokalfinale Eintracht Frankfurt vs. Borussia Dortmund mit Halbzeit-Show von Helene Fischer, die von massiven Pfiffen & Scheiß DFB Gesängen begleitet wird
Juni 2017:
Der DFB präsentiert die „China-Pläne“ für die Regionalliga SW
Beginn Juli 2017:
Der DFB kontaktiert Fanvertreter von Dynamo Dresden mit dem Ziel in einem Hinterzimmer-Gespräch jeglichen aufkommenden Protest gegen den DFB im Keim zu ersticken
Mitte Juli 2017:
Erstes bundesweite Fantreffen in Dresden mit Beteiligung von knapp 50 Fanszenen, es wird beschlossen, Herr Grindel & Anhang gemeinsam in Dresden zu empfangen
Ende Juli 2017:
Grindel, Koch, Große Lefert & Co. erwarten ein Gespräch mit Vertretern von Ultras Dynamo, werden in Dresden aber mit der Anwesenheit von Fanvertretern aus ganz Deutschland überrascht. Es folgt ein Konfrontationsgespräch, in dem die Entfremdung von DFB & Basis, die mangelnde Wertschätzung der Fankultur in Deutschland und diverse alltägliche Probleme für Fußballfans angeprangert werden.
08/2017 bis 10/17:
Die Proteste in den Stadien gegen den DFB nehmen zu. Der DFB merkt, dass die negative Meinung vieler Fans zum Bumerang werden kann und versucht den Sturm mit öffentlichkeitswirksamen Statements abzuwehren. Hr. Grindel kündigt großmundig an, dass Kollektivstrafen abgeschafft werden und die einheitliche Freigabe von Fanutensilien nur noch Formsache ist. Wie ernst es der DFB mit derlei Ankündigungen meint, merken wir selbst beim 1. FC Saarbrücken: Wegen dem Einsatz von Pyrotechnik verbietet der Südwestverband mal eben der gesamten Fanszene des FCS für das erste Halbjahr 2018 Fahnen & Banner bei Auswärtsspielen zu präsentieren. Ermüdende Diskussionen über Fanutensilien, die für eine lebendige Fankultur selbstverständlich sind, gehören wenig überraschend nach wie vor zum Alltag an den Stadientoren. Die Eingliederung der chinesischen U20 in die Regionalliga SW soll als Testballon für noch weiterreichende Business Pläne mit den Chinesen gelten, wird in den Medien aber als Projekt der Völkerverständigung verkauft. Auch hier zeigt sich, wie irrelevant die Bedenken der Fans für den DFB sind. Die Pläne des DFB werden ironischerweise von keinen rebellischen Ultras zu Nichte gemacht, sondern von einer Hand voll tibetischer Aktivisten, die ihre Nationalflagge präsentieren. Peinlicher hätte diese Nummer für den DFB nicht laufen können. Um von diesen und anderen Absurditäten in Zukunft verschont zu bleiben, werden dem DFB mit Beginn der vergangenen Saison umfassende Positionspapiere (https://gebtdenfcsfrei.wordpress.com/2018/01/08/positionspapiere/) übermittelt, die ein in Teilen völlig überforderter Verband als willkommene Hilfestellung hätte verstehen können.
Thema |
Kernforderungen |
Was bis heute passiert ist |
Kommerzialisierung |
– Unmissverständliches Bekenntnis zur 50+1 Regel – Rückkehr zu fanfreundlichen Anstoßzeiten |
– Unmissverständliches Bekenntnis zu 50+1 gibt es nicht – Ein Pokalfinale ohne Helene Fischer reicht nicht, um die immer weiter ausufernde Kommerzialisierung zu stoppen – Danke an die fünf tibetischen Aktivisten, die das Vorhaben des DFB pulverisierten – Neue Anstoßzeiten sind Beleg genug, dass diesem Model mehr denn je hinterher gejagt wird – Samstagspiele in der zweiten Liga teilweise ab 13 Uhr / Einführung Montagsspiele in Liga 1 & 3 |
Fanrechte |
– Novellierung Stadionverbotsrichtlinien – Sozialverträglicher Fußball mit humanen Eintrittspreisen |
– Keine Bereitschaft zur Novellierung der Stadionverbotsrichtlinien – Ernsthafter Einsatz für Faninteressen nicht gegeben – Günstigstes Ticket Pokalfinale 2018: 60 Euro – Bekenntnis zu nicht-personalisierten Tickets gibt es nicht – Unterschiedlichste Anstoßzeiten an einem Wochenende schaden dem Amateursport, Zuschauer bleiben aus |
Anstoßzeiten |
– Abschaffung Montagsspiele |
– Ansetzungen am Montagabend werden intensiviert – Ein ernsthafter „Schutz der Amateure“ wird nicht betrieben – Kilometerregeln nicht existent – TV Formate & Sendezeiten wichtiger als Fanbelange – Transparenz nicht gegeben |
Sportgerichtsbarkeit |
– Reformierung Sportgerichtsbarkeit |
– Intransparenten Strafen in horrenden Höhen wurden lediglich in Formen gegossen – Das willkürliche Ersatzstrafrecht der Sportgerichte ist nun in einem Strafenkatalog manifestiert – Bsp. Pokalfinale: Fans von Frankfurt & Bayern müssen Akkreditierungen beantragen wg. einer Choreographie – Was Beleidigung oder freie Meinungsäußerung ist, entscheidet nach wie vor das DFB-Sportgericht – DFB Vorgaben (bspw. keine Kollektivstrafen) werden für Regional- und Landesverbände nicht verbindlich gemacht |
Stadionverbote |
– kein SV ohne Verurteilung (Stichwort Unschuldsvermutung) |
– Unschuldsvermutung irrelevant, leider in Einzelfällen auch beim FCS – Beim FC gegeben, allg. Vermerk in Lizenzunterlagen nicht gegeben, Vereine sind ergo nicht dazu verpflichtet – Zuständigkeiten liegen in vielen Fällen nach wie vor bei DFB & auswärtigen Vereinen – Bundesweite Stadionverbote nach wie vor existent |
11/2017 bis 05/2018:
Das erste „planmäßige“ Treffen nach dem Überraschungstermin in Dresden mit der Spitze von DFB & DLF (November 2017) wird folgerichtig genutzt, um die Kritik an den Machenschaften des Verbandes erneut zu verdeutlichen. Gleichzeitig werden den Herren von DFB & DFL die Positionen & Forderungen der Fanszenen zu o.g. Themen erläutert. Erwartungsgemäß kommt viel Lobhudelei für die jeweiligen Ausarbeitungen, mit Zusagen und Versprechen hinsichtlich zeitnaher Umsetzungen wird natürlich ebenfalls nicht gegeizt. Unsere Fanszene wird bei diesem Termin übrigens von Jules (Boys Saarbrücken) vertreten. In den folgenden Monaten hört man herzlich wenig vom Verband, einzig das eilig einberufene Pilotprojekt „Freigabe von Fanutensilien“ wird medienwirksam präsentiert. Weitergehende Schritte des DFB, nämlich auf Vereine und Sicherheitsbehörden hinsichtlich einer zufriedenstellenden Umsetzung, einzuwirken, bleiben aus.
28.05.2018 bis heute:
Einen Tag nach der Tragödie in München kommt es zum zweiten Treffen mit den Verbandsspitzen in Köln. Wegen der kräfteraubenden Relegationstage sind wir nicht vor Ort, dafür 13 kompetente Fanvertreter (u.a. Köln, Rostock, Hertha & Union Berlin, Nürnberg, Dortmund, Karlsruhe) inklusive Fananwalt René Lau aus Berlin. Es folgt eine hitzige Diskussion, in der deutlich wird, dass die anfänglich zur Schau gestellte Bereitschaft zu Veränderungen nur Fassade war. Grindel prescht mehrmals zum Thema Stadionverbote vor, und macht in Gutsherrenmanier deutlich, dass es keinen Grund zu Reformen gibt. Heißt, auch in Zukunft kannst du Stadionverbot bekommen, wenn du am Bahnhof in Koblenz in eine Rangelei verwickelt bist, und der FC 200km weiter entfernt spielt. Ähnlichen Reformwillen, nämlich gar keinen, signalisiert die DFL in Person von Christian Seifert beim Thema Anstoßzeiten. Man handelt im Auftrag der Vereine, dort sind weitere Spieltagsteilungen zwecks besserer Vermarktung ausdrücklich gewünscht. Eine der wenigen aufrichtigen und sicherlich teils zutreffenden Aussagen an diesem Tag. Allgemein wird klar, dass DFB & DFL völlig blind den Zuständen im Ausland hinterher rennen und in einer immer weiter ausufernden Vermarktung das Allheilmittel sehen. Die Interessen von Fußballfans, der Amateursport und auch die Belange der Vereine, teilweise jetzt schon mit horrende Lizenzbedingungen überfordert, bleiben auf der Strecke. Diese Positionen werden in einer derart überheblichen und selbstgefälligen Art vermittelt, dass eine direkte Beendigung des Dialogs schon an diesem Tag zur Debatte steht. Fehlenden Respekt zeigen DFB & DFL schon im Vorfeld des Treffens, als eine Folie übersandt wird, in der der Verzicht auf Gewalt, Pyrotechnik, Vandalismus, Beleidigungen und ähnliche Vergehen in Relation zu o.g. Forderungen gestellt wird. Mit einfachen Worten: es wird erwartet, dass die Fankurven als Polizeiersatz Vorkommnisse unterbinden, die gegen den Gusto von DFB & DFL gehen. Was genau die Polizei dann noch bei Fußballspielen machen soll, konnten die hohen Herren nicht beantworten. Man stelle sich vor, es wäre vor dem Treffen von Seiten der Fans die Forderung an die Verbände gestellt worden, in Zukunft auf Korruption und Vetternwirtschaft zu verzichten. Wären die Verbandsfuzzis dann zum Dialog bereit gewesen? Wohl kaum. Trotz dieser Respektlosigkeit setzen wir uns mit diesen Menschen an den Tisch, um eine Verbesserung im Sinne des Fußballs, so wir ihn alle kennen und lieben, voran zu treiben. Das Fass zum Überlaufen bringt letztendlich die Vorgehensweise zum Thema Anstoßzeiten: Wird bei diesem Treffen noch vollstes Verständnis für die Wichtigkeit von fanfreundlichen Anstoßzeiten signalisiert, präsentiert sich der DFB einige Wochen später stolz in den Medien und verkündet, mit den kommenden Montagsspielen in der dritten Liga eine zusätzliche Einnahmequelle für die Vereine geschaffen zu haben. Dass die 25% mehr TV-Einnahmen lediglich den Gesamt-Bruttoerlösen entsprechen und sich davon nochmal eine Provision abgegriffen wird, wird galant verschwiegen. Deutlicher können DFB & DFL nicht zeigen, dass sie jedem Fußballfan ins Gesicht spucken, der wagt, gegen die Zustände im deutschen Fußball aufzustehen. Wir sind uns ziemlich sicher, dass den Grindels, Seiferts, Rauballs und wie sie alle heißen zeitnah dämmert, wie dämlich ihr Verhalten war. Denn die Proteste, insbesondere in den oberen Ligen, werden dieses Jahr noch lauter, noch bunter und noch unangenehmer für die Verbände.
Und so bleiben die Feinde des Fußballs die Gleichen: Die Polizei auf der einen Seite, ständig auf der Pirsch, um mit Anzeigen wegen Nichtigkeiten oder schlicht nicht stattgefundenen Vorfällen zu belegen, dass die völlig aufgeblähte Präsenz bei Fußballspielen, in Saarbrücken besonders sichtbar an der utopischen Anzahl von Zivilpolizisten, notwendig ist. Auf der anderen Seite Verbände & verbandshörige Vereinsvertreter, die der Basis bzw. ihren Mitgliedern regelmäßig zeigen, wie unbedeutend die Interessen von Fußballfans im gelddurchfluteten Fußball der heutigen Zeit sind.
Sicher sind viele Punkte aktuell vermeintlich weit weg von unserem FC, da wir aber alle schnellstmöglich wieder höhen spielen möchten, können uns diese Probleme schneller einholen, als uns lieb ist. Deshalb stehen auch wir hinter der Mitteilung, die in dieser Woche von fast allen Fanszenen in Deutschland veröffentlicht wurde:
Aufkündigung des Dialogs mit DFB & DFL
JETZT ERST RECHT!
Vor rund zwölf Monaten schlossen sich bundesweit die Fankurven zusammen, um sich der voranschreitenden Zerstörung des Fußballs wie wir ihn kennen entgegen zu stellen. Nachdem medial zahlreiche Versuche all jener, die sich von dieser Kampagne in die Enge getrieben fühlten, misslangen, mussten sich diese Verantwortlichen bei DFB und DFL in den kommenden Monaten an ihren öffentlichen Aussagen messen lassen.
Die anfängliche Euphorie wich in den zwei erfolgten Standpunktgesprächen zwischen Fankurven-Vertretern mit den Verantwortlichen aus DFB und DFL schnell. Viel mehr verfestigte sich abermals der Eindruck, man wolle diesen Dialog wie in den vergangenen Jahrzehnten nutzen, um mit einem medienwirksamen Gesprächsangebot und netten Worten konkrete Taten um jeden Preis zu vermeiden.
Eine Mitschuld an den Entwicklungen tragen in zahlreichen Fällen auch die Vereinsvertreter. Oftmals offenbarte ein Blick hinter die Kulissen, dass Vertreter der Vereine im Innenverhältnis gegenüber den eigenen Fanvertretern Verständnis zeigen und Zusagen geben, um innerhalb der Liga-/Verbandsversammlungen dann genau gegenteilig zu agieren. Auch fehlt es hier ganz klar an einer lösungsorientierten Vernetzung und Eigeninitiative. Insbesondere in der Causa um die 50+1-Regel zeigte der Vorstoß des Vertreters vom FC St. Pauli eindrucksvoll, dass es unter den Vereinsvertretern deutlich mehr Spielraum für Eigeninitiative gibt, als bisher genutzt. Die Vereinsvertreter sind mit Nichten die Abnicker von kommerziellen Plänen der Deutschen Fußball Liga, die allein aus Selbsterhaltungszwecken die Vermarktung der Ware Fußball vorantreiben muss. Die Vereinsvertreter sind die, die Werte und Wünsche der Basis aus Mitgliedern und Fans ihrer Vereine vertreten sollen.
Nur wenige Tage nach dem zweiten Gespräch stellte sich heraus, dass ab der Saison 2018/2019 sogar die 3. Liga einen Montagsspieltag haben wird, was im Rahmen des Gesprächs zu keinem Zeitpunkt seitens der Verbände angebracht wurde, obwohl mit Thomas Schneider eine selbsternannte Person mit der Kernkompetenz Faninteressen vertreten war. Alleine hier hätte die Brisanz des Themas auffallen müssen. Stattdessen wurde mit einer Pilotphase für die einheitliche Behandlung von Fanutensilien ein neuer Papiertiger geschaffen, der bis heute keine Ergebnisse vorzuweisen hat. In puncto Sportsgerichtbarkeit goss der DFB seine bisher intransparenten Strafen in horrenden Höhen lediglich in Formen und manifestierte sein willkürliches Ersatzstrafrecht in einem Strafenkatalog. Auch hier kann von keiner Verbesserung im Sinne von Vereinen und Fans die Rede sein. Von Transparenz fehlt weiterhin jede Spur, was auch die bis heute mangelnde Aufklärung der Causa Beckenbauer in Zusammenhang mit den Sommermärchen-Millionen oder im Falle des Funktionärs Curtius sehr eindrucksvoll widerspiegelt. Die vermeintliche Neuregelung der Regionalligen wurde in einem Hauruckmanöver zu einem Glücksspiel umfunktioniert, anstatt eine klare Regelung zu finden. Wir können diese Liste Punkt für Punkt abarbeiten um letztendlich unter dem Strich festzuhalten: Dem DFB und der DFL sind sich weder dem Gegenwert dieser ausgestreckten Hand der Fanszenen, noch den Konsequenzen dieser mangelnden Wertschätzung der Basis in den Stadien bewusst. Stattdessen manifestierte sich viel mehr der Eindruck, dass der Fußballsport noch weiter seiner sozialen und kulturellen Wurzeln beraubt werden soll, um ihn auf dem Altar der Profitgier von den Verbänden auszunehmen.
Aus diesem Grund sehen wir keine andere Möglichkeit, als die Gespräche mit sofortiger Wirkung zu beenden und den Protest noch engagierter als zuvor zu unterstützen.
Wir werden weiterhin für die Grundwerte und gegen eine weitere Entfremdung des Fußballs durch Korruption, Gutsherrenmachenschaften und Kommerzialisierung eintreten.
Ihr werdet auch in dieser Saison von uns hören!
Bei Fragen rund um diese Themen könnt ihr uns natürlich wie immer direkt im Stadion ansprechen.
Virage Est Saarbücken
Anmerkung: Es dauerte nicht lange, bis DFB & DFL zu o.g. Mitteilung mit blumigen Worten reagierten und ihr Bedauern über das Ende des Dialogs äußerten. Nachzulesen hier: https://www.dfb.de/news/detail/dfb-und-dfl-bedauern-dialog-abbruch-der-fanszenen-deutschlands-191416/
Eine sehr treffende Reaktion kam daraufhin von der Fanorganisation Pro Fans, diesem Text ist wahrlich nichts hinzuzufügen: http://www.profans.de/allgemein/die-schoene-heile-welt-des-dfb